Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an.
Kurt Tucholsky, 09.01.1890 - 21.12.1935, dt. Schriftsteller

Mittwoch, 28. April 2010

Gersterbrot mit Gänseschmalz ...

Hmmmmmmmmmmm ... also eigentlich hätte man dieses (mein) genüssliches Summen des Gaumensegels schon am Samstag selbst auf der Nordhalbkugel vernehmen müssen. Wie heißts in unserer Familie so schön? "Es ist, wie wenns 'n Engel auf die Zunge pinkelt." So ungefähr wird ein ausserordentlicher kulinarischer Genuss umschrieben ;-) Und diesen hatte ich am Samstag während des Foto-Shootings bei Conny und Sinah in Caloundra. 

Nicht, dass wir uns hier nur von Wasser, Salz und Brot ernähren würden (dem labrigen und nach 20 Monaten zumindest mir nun doch zum Halse raus hängenden Einheits-Weißbrot, bei dem nur unterschiedliche Namensgebungen und verschieden dicke Scheiben unterschiedliche Brotsorten suggerieren sollen, was aber nicht wirklich gelingt ... und auch die "Graubrote" mehr dem Geschmack von Zeitungspapier denn von Brot ähneln). Irgendwann gewöhnt sich der menschliche Gaumen an alles - dachten wir, oder redeten wir uns ein.  Okay, das Weißbrot unseres örtlichen Bäckers ist lecker - aber es ist eben "nur" Weißbrot, Sauerteigbrot hat dieser Bäcker leider garnicht im Sortiment. Und wie ich das Schwarz- und Graubrot hier vermisse, mag kaum einer zu glauben, der es nicht mindestens ebenso gern isst .

Man kann sich von den Produkten nach australischer Art durchaus genüsslich ernähren, wenn man versucht, sich den hiesigen Gewohnheiten anzupassen. Aber dennoch überkommen einen manchmal Gelüste, die sich nur wieder legen, wenn keine Abhilfe in Sicht oder zumindest in Reichweite ist. Ja, wenn ...

Wie gesagt - am Samstag wurde ich verführt. Conny tischte vom deutschen Fleischer und deutschen Bäcker auf. Eigentlich war ich ja nicht wirklich hungrig. Und redete mir auch ein, dass ich gaaar keinen Appetit habe. Tja, bis dann das leckere Gersterbrot auf dem Tisch lag, liebevoll bestrichen mit Gänseschmalz (natürlich mit Röstzwiebeln verfeinert), netten Gürkchen ... und wenig später umrandet von herzallerliebsten unterschiedlichen Wurstsorten. Tropf, tropf, tropf ... ich konnte nicht widerstehen. Und das Gänseschmalz-Brot entführte mich zumindest geschmacklich in die Nr. 63. Gersterbrot hatte ich das letzte Mal genießen können, als wir im September 2008 in Sydney waren (um Batida aus der Quarantäne zu holen) und dort plötzlich vor einer deutschen Bäckerei standen, an der wir auch noch (überraschenderweise) deutschsprachig bedient wurden. Ist also auch schon 19 Monate her.

Der Entschluss war am Samstag jedenfalls schnell gefasst - jetzt ist Feierabend mit dem selbstauferlegten Zwang, sich gefälligst einzureden, dass die australische Art, Wurst und Brot herzustellen und zu genießen, durchaus annehmbar ist. Heute war ich in Caloundra und mit Conny als Reiseführer wurde herzhaft beim "Euro Meister Bäcker" (Gersterbrot, Vielkornbrot, Sonnenblumenkernbrot, LAUGENBREZELN!!!) und dann bei "FRANZ", dem deutschen Fleischer (Frankfurter, grobe Leberwurst, Teewurst, Lachsschinken, Bayrischer Leberkäse im 1,5kg-Stück, Thomy Scharfer Senf, Pfanny Rohe Kartoffel-Knödel) eingekauft. Uff. Zugegeben, jetzt gehöre ich auch wieder zu den Zahnabdruckinderleberwursthinterlassern *grins*. Hach, war das leeeeccckkkker und ist es immer noch. Ein paar "Franz"-Produkte gibt es zwar hier in den Supermärkten auch, ergänzt durch "Hans"-Produkte. Aber über die Preise reden wir mal besser nicht - direkt beim Fleischer war es weitaus billiger und da war das Spritgeld dann schnell wieder wett gemacht.

Keine Ahnung, warum ich mich in dieses Einkaufsparadies noch nicht früher gewagt habe. Wohl wie aus oben genanntem Grund, dass man ja ganz tapfer auch von hiesigen Essgewohnheiten gut leben kann. Aber wohl eben nicht nur, wenn man mit anderen Gewürzen, Rezepten usw. aufgewachsen ist - und mit anderer Qualität, zumindest was die Wurst betrifft. Ach ja, und Gänseschmalz steht jetzt auch hier im Kühlschrank. Den Shop mit den Leckereien aus aller Welt (direkt an der Hauptstraße in Caloundra) haben wir dann auch noch mitgenommen - Namen vergessen, aber ich weiß ja jetzt, wo er ist. Jedenfalls stand ich dort dann auf einmal unverhofft vor holländischer Lakritze, holländischen Schokoladenstreuseln fürs Brot (die es in kleiner Auswahl auch beim Franz-Fleischer gab), Dr.Ötker-Tortenguss, Pudding und andere Feinkost aus diesem Hause ... und vor Hengestenberg-Rotkohl etc. Der Grünkohl war leider aus. Nun gut. Beim nächsten Mal. Hurra - jetzt gibts endlich wieder Abwechslung auf dem Tisch. Dass morgen abend Leberkäse aus der Pfanne auf den Teller hüpft, wissen meine Männer noch nicht - Überraschung!!!



PS: Nicht, dass jetzt die, die noch nie hier waren, denken, man lebe kulinarisch in Australien hinter dem Mond. Das ist keineswegs der Fall - im Gegenteil. Aber mancheiner (so wie ich) kann eben doch nicht aus seiner Haut: wenn man gewissen Dinge jahrzehntelang genießen konnte und lieb gewonnen hat und dann drauf verzichten muss und eigentlich nicht weiter drüber nach denkt, sich aber plötzlich einem wieder die Möglichkeit auftut, das Vermisste kaufen und genießen zu können ... dann nimmt man dies natürlich wahr. Trotzdem hab ich hier immer noch kein "Rübenkraut" (Sirup fürs Brot) gefunden und freue mich deshalb um so mehr auf die in ein paar Monaten hier eintreffende Lieferung. Hmmmm, mein Zahn tropft schon wieder - vor Vorfreude.